persönlich

Was war los – so in den letzten Monaten

Ruhig ist es geworden – und das ist auch völlig in Ordnung. Heute bin ich seit 3 Uhr wach – ein Hoch auf das Kortison um die Chemotherapie Nebenwirkungen zu kontrollieren.

Das kenne ich nun aber schon und habe es akzeptiert. Vielleicht nutze ich die Zeit daher einfach mal um einigen Gedanken Ausdruck zu verleihen (bringt ja auch nichts, die nur im Kopf zu kreiseln).

Rietschen Erlichthof

Das Leben ist ein Lernen

Der letzte Post war im Mai, also ein Rückblick von April. Seitdem ist gleichzeitig viel und wenig passiert. Ich habe mich langsam in einen neuen Alltag eingefunden und festgestellt: Ich bin nicht allein und es geht wohl verdammt vielen jungen Menschen so wie mir. Raus aus einem vollen Arbeitsalltag mit viel Aktivität und dem zusätzlichen Anspruch einer Work-Life-Balance (Sport, soziale Kontakte, Familie, Hobby ect) – und ich habe darüber hinaus wohl einfach ein bisschen vergessen auf mich zu hören.

Die Zeit nehme ich mir jetzt und habe tatsächlich schon einige Dinge über mich erfahren: Ich bin wichtig! Menschen, die mir wichtig sind. Wann mein Körper mir etwas sagen will. Die Natur, die mich runterbringt und mich atmen lässt. Bedürfnisse erkennen und diese auch zu kommunizieren – egal was andere Denken. Meinen Horizont erweitern. Aktive Entspannungszeit in den Tag einbinden. Mich Bewegen (ich versuche es mit Yoga und Radfahren). Vor allem positive Momente schaffen. Sich Aufgaben suchen und Ziele stecken. Unterdrückte Emotionen loslassen.
Und vor allem: Sich den Tag nicht neu voll plane und dadurch in Stress geraten. Für mich, als jemand der alles kontrollieren und planen möchte, wohl eine der größeren Herausforderungen.

Ich bin wichtig! Ich bin genug.
Ich habe Zeit! Ich tue genug.
Ich atme! Ich habe genug.

Ich hatte gerade im Mai/ Juni eine großartige Psychoonkologin, die gold wert ist. Sie hat mir Anstöße gegeben und dabei mich immer wieder unterstützt, mich einfach in vielen Dingen berechtigt zu fühlen und es eher als Lernaufgabe zu sehen. Auf mich zu achten! Alles ist in Ordnung!

Natürlich setzt man sich mit dem Thema Krebs auseinander. Ein normales Weitermachen wie bisher ist irgendwie nicht möglich.
Und natürlich suche ich nach Gründen (außer dem von Ärzten genannten „Unglück und Dilemma“) und Lösungen.

Ist Krebs ganzheitlich zu betrachten?

Ja! Einfach schon für das Wohlbefinden, um das Immunsystem aufrecht zu erhalten (und ihm den nötigen Schupps zur Selbstheilung zu geben) und vermutlich auch, um sich nicht machtlos der ganzen Situation auszuliefern.

Meine Säulen sind daher: Ein unbändiger Wille zu Leben, mutig sein, ganz viel Liebe (von allen Menschen!), gesund ernähren (und mir auch mal Ausnahmen gönnen), mich bewegen (immerhin schaffe ich die Runde um den Cospudener See mit dem Rad), Ruhe finden, positive Momente schaffen, in mich zu spüren (Meditation und Visualisierung), soziale Kontakte, Schulmedizin, dem aktiv bleiben (auch wenn ich meine Ärzte vielleicht nerve) und wohl am Ende das Ganze zu akzeptieren. Wie loslassen klingt das nicht, aber vielleicht wie etwas ausgewogeneres aus Anspannung und Entspannung.

Ein veg in mir

So habe ich meine Ernährung auf überwiegend pflanzlich und Clean umgestellt. Den Zucker (vor allem Industriezucker) drastisch reduziert und sämtliche antientzündlichen Nahrungsmittel in den Speiseplan eingebaut:
Knoblauch, Zwiebeln, Kohl (vor allem Brokkoli), Beeren (der Ratgeber „Krebszellen mögen keine Himbeeren“ gibt einen Hinweis), grüner Tee, Omega-3, Tomaten, Zitrusfrüchte, Soja. Dazu kommen natürlich eher Vollkornprodukte, als Weizen.

Am Ende soll die Ernährung vollwertig und ausgewogen sein – ich möchte nicht abnehmen, muss auf meinen Proteinspiegel achten und auch die Sache mit dem Eisen war schon nicht ganz einfach (auch vor der Diagnose „Essen Sie doch mal ein Stück Fleisch“ – wer länger mitliest, weiß, dass ich mich schon lange vegetarisch und teilweise vegan ernährt habe).
Rezepte für Kuchen und Co werden es wohl erstmal nicht so schnell auf den Blog schaffen. Dafür vielleicht mal andere (wobei ich meistens mittags solchen Hunger habe, dass die Zeit fürs Foto nicht reicht 😉 ).

Positive Momente mit viel Liebe & Dankbarkeit

Es gelingt mir mehr und mehr, Tage zu finden, die sich fast normal anfühlen. Ich merke die OP-Nachwirkungen und Chemo-Nebenwirkungen wenig – ich fühle mich gesund.
Und vor allem kann ich die Gedanken an die Krankheit tatsächlich mal los lassen. Es gibt ja noch so viel anderes zu entdecken!

Ob es die Kurzreise auf den Alpaka Hof oder nach Zeulenroda ins Bio Hotel war, die Spaziergänge mit Freundinnen oder Kollegen, endlich mal wieder der Besuch in der Lausitz, das Baden im Cospudener See, die Umräumaktion von unserer Wohnung und ganz viele kleine Momente. Meine Cousinen für die mit denen ich gemeinsam koche. Das Rauschen und Grün der Blätter im kleinen Wald um die Ecke. Fahrradfahren. Tipps von Mitpatientinnen und neue Kontakte. Kollegen, die mir auch nach 6 Monaten noch schreiben und an mich denken.

Nichts ist so wichtig, wie der heutige Tag.

Paddeln auf der Lauer, Leipziger Neuseenland

Lach doch mal

Ich habe mehrere Monate wenig bis gar nicht gelacht. Und das ist auch in Ordnung. Nichts erzwingen! In so einer Situation ist das nämlich ganz schön fordernd.

Ich habe es mit Büchern, Comedy Sendungen usw versucht. Ging so. Tatsächlich sind es die Alltagssituationen, die meine alte dreckige Lache wieder hervorgekitzelt haben. Und die kommt eben, wann sie will!

Das heißt ja nicht, dass ich unglücklich bin. Im Gegenteil! Ich fühle mich an den meisten Tagen sehr sehr glücklich.

Mein Krebs Herbert befindet sich an einer Stelle, die irgendwie an der Leber und den Gallengängen hängt und untypisch für mein Alter ist. Ich plumpse aus jeglicher Statistik raus – außer hoffentlich aus der, der insgesamt besseren Heilungschancen bei jungen Menschen.

Die Sache mit dem Tod

An manchen Tagen weiß ich nicht, ob mir die Tragweite der Erkrankung vollends bewusst ist. Ich höre manchmal noch die Stimmen der Ärzte, die was von kurzen Prognosen und palliativen Medizinmaßnahmen erzählen.
Will ich mich dem hingeben? Nein. Ich will leben!

Und dennoch weiß ich, dass das Leben endlich ist. Es könnte jeden (mich!) auch täglich auf der Straße treffen (Hallo Leipziger Radverkehr) und trotzdem war der Gedanke nie allgegenwärtig(er).

Gerade an den Tagen, an denen die schlechten Nachrichten eintrudeln: Ein Krebs, der langsam wachsend ist und nicht metastasieren sollte. Die erste Chemo hat gezeigt, dass dem nicht so ist. Es gibt Metastasen, auch wenn der Primärtumor gleich geblieben ist. Ein Schlag in die Magengrube und viele Tränen.

Ich habe vielleicht (noch) keine Angst vor dem Tod, aber ich habe Angst, dass ein langer Leidensweg vor mir liegt und ich habe natürlich Angst um meine liebsten Menschen und wie sie das verkraften.
In meiner Beerdigungsrede (hoffentlich erst mit 83+) wird es heißen, dass ich lebenslustig, mutig, tapfer, hoffnungsvoll, positiv, stark, kontaktfreudig, lieb, empathisch, naturverbunden, offen, ehrlich, energiegeladen, humorvoll, attraktiv (nicht nur äußerlich) und vermutlich noch so viel mehr, war – jetzt BIN ich es!

Der Tag ist nun auch gestartet und begrüßt mit viel Tageslicht und Liebe! In diesem Sinne: Alles wird gut!

Euer Fräulein Immergrün
aka Krebskriegerin

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